Zwischen Brettwurzelbäumen und Erdbeerfeldern in Sembalun

Wir starteten unsere Tour beim Siola und waren zum ersten Mal mit dem Roller in Indonesien unterwegs. In Thailand bin ich schonmal mit einem gefahren und war also vorbereitet. Die erste Testfahrt auf dem Gelände endete aber leider im Gartenzaun. Danny war trotzdem zuversichtlich, dass ich den Bogen mit dem Gashahn bald raus haben werde. Deshalb schnallte ich mir Angélique auf den Rücken und wir tuckerten los. In der Gegend war nicht so viel Verkehr und da ich ausreichend Hupte gelangten wir sicher zu unserem ersten Stopp, den sogenannten Brettwurzelbäumen.

Die bis zu 30 Meter hohen Giganten wachsen laut Reiseführer in einem eingezäunten Gebiet, welches durch ein Eisentor betreten werden kann. Ziemlich schnell hatten wir den Eingang gefunden und den Roller geparkt. Kaum hatten wir die Helme abgesetzt kamen uns zwei zwielichtige Gestalten entgegen und öffneten die großen Stahltore. Meine Sensoren gingen natürlich sofort an und ich wollte am liebsten gleich weiterfahren. Aber die beiden Männer winkten uns rein und wiesen uns an herumzuspazieren und Fotos zu machen. Ich hatte ein komisches Gefühl. Außer uns und den beiden Typen war weit und breit keiner zu sehen. Beide sprachen kein Englisch, oder taten zumindest so. Der, der das Schloss entriegelt hatte, hatte die Kette noch in der Hand. Auf meine Frage wie viel der Eintritt kostete, gab es keine Reaktion. Sobald wir den Fuß hinter die Tore setzten, nahm mich einer von beiden zur Seite und forderte mich auf auch den Roller von der Straße zu holen und in dem eingezäunten Areal abzustellen. Während ich mit ihm über den Sinn und Unsinn dieses Vorschlags diskutierte, war sein Kompagnon bereits dabei langsam aber bestimmt unseren Roller Richtung Tor zu schieben. „Angélique, mach schnell ein Foto und lass uns abhauen?“ schrie ich durch den Wald. Ich habe genug gesehen, um mir vorstellen zu können wie diese Aktion weitergeht, sobald wir uns mit unserem Roller hinter den verschlossenen Stahltoren befinden.

Wer ist hier der Geisterfahrer?

Während wir auf den Roller stiegen, riefen uns die beiden bereits Fantasiepreise zu. Ich gab Gas und wir waren weg. Leider hatte ich vor lauter Aufregung die Orientierung verloren und raste auf der rechten Straßenseite einem Kleintransporter entgegen. Ich wunderte mich noch was der Geisterfahrer auf meiner Fahrbahn zu suchen hat, bis mir schlagartig klar wurde, dass ich im Linksverkehr gerade der Geisterfahrer von uns beiden war. In dem Moment, in dem ich hart links rüber zog, wurde der Kleintransporter gerade von einem Motorroller überholt. Somit war ich zwar mittlerweile auf der richtigen Straßenseite, der Rollerfahrer sah mich aber natürlich erst auftauchen, als es schon fast zu spät war. Zum Glück haben ca. 90 Prozent der Verkehrsteilnehmer auf Lombok keinen Führerschein, sodass mein Kamikaze-Fahrstil den beiden gar nicht groß auffiel. Es wurde ein paar Mal gehupt und wir schlitterten alle gerade so aneinander vorbei. Vor lauter Aufregung hatte ich vergessen, dass Angélique hinter mir sitzt. Ich merkte es erst, als meine Beine langsam taub wurden, weil sie sich während der ganzen Aktion so fest um mich geklammert hatte.

Leicht bekleidet zu den Königsgräbern

Wir fuhren durch kleine Städte und Dörfer auf kurvigen Straßen ohne weitere Zwischenfälle. Leider hatten wir uns irgendwann so verfahren, dass wir auf die Hilfe der Einheimischen angewiesen waren. Auf dem Weg in die Berge wurde es immer kälter und kälter. Während Angélique, die klamottenmäßig immer auf alles vorbereitet ist, lange Sachen anzog, schaute ich schon etwas vom Winde verweht aus. Zumindest das Buff-Tuch sollte ich mir um den Hals ziehen, sagte Angélique. Ich weigerte mich, weil ich auf dem Roller mit meinem Tank-Top und den vom Fahrtwind zur Hot-Pans aufgerollten Shorts sowieso schon wie ein billiges Flittchen aussah. Später zog ich mir das Halstuch dann aber doch an um keine Halsschmerzen zu riskieren. Mit dem massiven Helm und dem luftigen Outfit sah ich jetzt aus wie jemand aus einer Parodie des YMCA-Songs und fuhr auf die Königsgräber (einer nicht zu vergessen muslimischen Provinz) zu. In diesem Moment endete natürlich auch die Gebetsstunde in der anliegenden Moschee und wir fuhren mit 2 km/h durch dutzende von in Gebetsgewänder gehüllten muslimischen Männern. Zum Glück waren sie friedlich, sodass wir außer ein paar albernen Sprüchen, nur den ein oder anderen bösen Blick kassierten. Kurz nachdem wir die Meute hinter uns gelassen hatten, merkten wir, dass die Straße nicht mehr weiterging – schon wieder verfahren. Also nochmal zurück. Diesmal fuhr ich deutlich schneller und bewegte mich im Slalom oder hupte die Männer zur Seite. Nach einer weiteren Ehrenrunde durchs Dorf, entschieden wir uns für den direkten Weg in die Berge Richtung  Sembalun-Tal.

Saftige Erdbeeren und frische Bergluft

Zwei Aussichtsplattformen boten einen großartigen Blick auf die umliegenden Berge. Wir genossen die frische Bergluft und düsten auf der kurvigen Straße Richtung Tal. Dort gab es einige Erdbeerplantagen und es war sogar erlaubt die saftigen Dinger einfach selber zu pflücken. Natürlich mussten wir unsere Plastikschale so vollhauen, dass die arme Erdbeerverkäuferin diese erst zusammentackern und uns den Rest auch noch in einer Plastiktüte mitgegeben musste. Aber wann kommt man schon in den Genuss von echten Vulkanerdbeeren? Die Taschen und Backen voll mit dem roten Gold machten wir uns fix wieder auf den Heimweg, da die Sonne bereits hinter den Bergen zu verschwinden drohte. Die Tüte mit den Erdbeeren schenkten wir Harry als kleinen Dank für die Tipps und den tollen Roller. Den Rest aßen wir abends auf unsere Terrasse und bestellten uns dazu zwei herrlich duftende Siola Pancakes. Schon lange hatte ich mich nicht mehr so zufrieden gefühlt wie an diesem Abend. Egal wie unsere Reise weiter geht. Allein für diesen Moment hat sie sich bereits gelohnt.

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