Vang Vieng: Es kommt meist anders als man denkt

Nach unserem Motorrad Crashkurs bei Uncle Tom in Kasi holperten wir auf dem Rücken des Pickups zwischen drei Einheimischen mit gefühlten 100 Sachen die staubige Piste nach Vang Vieng entlang. Während Jan versuchte sich und mich krampfhaft am Geländer festzuhalten, wiegte mich das Geschaukel und Geholper auf dem ruckelnden Wagen in einen leichten Schlaf. Ich schreckte zwar regelmäßig hoch sobald der ganze Wagen beim Überfahren eines Hubbels in die Luft geworfen wurde, aber nickte ein paar Sekunden später auch schon wieder ein. Für mich ging die Fahrt deswegen fast wie im Flug an mir vorüber – ganz im Gegensatz zu Jan, der wahrscheinlich Hundert Stoßgebete gen Himmel schickte. Nie wieder würden wir unser Leben in die Hände eines fünfzehnjährigen Fahrers legen. Dann lieber den nächsten Bus nehmen. Zwei Stunden später wurden wir an einem zentralen Umsteigeplatz rausgeworfen und mussten uns dann noch ein Tuk-Tuk zur Weiterfahrt bis zu unserem Hostel in der Stadt nehmen.

Viele rieten uns von Vang Vieng ab. Die Stadt ist verschrien als Backpacker-Partymeile, auf der sich halbstarke besaufen und sich in Gummireifen beim sogenannten Tubing den Fluss hinunter treiben lassen. Dabei immer wieder bei den Floating-Bars nachtanken und am Ende ihren Rausch in einer Hängematte am Strand ausschlafen oder tot sind. Die Partybackpacker haben Vang Vieng aber größtenteils den Rücken gekehrt und so blüht seitdem das Geschäft mit der Natur. Parachuting, Canyoning, Zip-lining und andere crazy-Begriffe für crazy-Outdoor-Sport-Geschichten werden heute in Vang Vieng an jeder Stelle angeboten, nachdem selbst das Verschenken von Alkohol an den Tubing-Stationen den letzten Party-Backpacker verschreckt hatte. Wir hatten also schon ein kleines Päckchen Vorurteile dabei, als wir Vang Vieng erreichten, wollten uns aber ein eigenes Bild machen. Und wie sagt man doch so schön:

Meistens kommt es anders, als man denkt.

Als wir schließlich vor den Champa Lao Bungalows standen, begrüsste uns ein etwas verpeilter und wortkarger, aber durchaus sympathischer Besitzer. Wir wurden auf unser einfaches Zimmer mit Gemeinschaftsbadnutzung gebracht und fühlten uns an diesem super relaxten Ort auf Anhieb wohl. Obwohl dies unsere einfachste und günstigste Unterkunft bisher war. Das Bett bestand aus bloßen Holzbrettern mit sehr dünnen Liegematten und die zwei kleinen Bäder mit Dusche und Toilette zur gemeinschaftlichen Nutzung der anderen Gäste wirkten auch als ob sie nur alle Jubeljahre den Putzeimer sehen würden. Der Blick und die entspannte Atmosphäre vom hölzernen Balkon waren jedoch einfach nur magisch. Ich liebte es in der Hängematte zu liegen und meinen Blick über die erstaunlichen Karstfelsen, dem Grün der Wälder und dem Lauf des Flusses schweifen zu lassen und dabei vor mich hinzuträumen. Das und die köstliche und nach Heimat schmeckende Küche des österreichisch-laotischen Pärchens nebenan ließen uns sogar über das unerfreuliche Bad und unsere schmerzenden Rücken vom Bett am Morgen hinweg sehen.

Kleiner Rammler an der Tanke

Die Gegend bot viele landschaftliche Reize, die sich gut auf einer Rollertour entdecken ließen. Schließlich waren wir ja nun sogar beide Profis auf motorisierten Zweirädern. Daher wollte Jan seinen Hintern auch gleich wieder auf ein Motorrad schieben und damit durch die Straßen fegen. Ich ging auf Nummer sicher und entschied mich lieber erstmal für einen Automatik Scooter. Das war schließlich leichter in der Bedienung – dachte ich. Da ich zum ersten Mal einen Roller selber fahren sollte, erklärte mir Jan noch schnell die Bedienung und es ging los zur Tankstelle. Ich fuhr noch etwas unsicher daher, aber bis dahin hatte alles geklappt. Doch irgendwie, ich weiß auch nicht so recht wie, habe ich beim Tanken an der Zapfsäule mit meinem Roller Jans Motorrad gerammt. Zum Glück nichts passiert. Nach der ersten Blamage folgte sogleich die Zweite. Beim Anfahren gab ich zu viel Gas, raste auf eine Steinwand zu, geriet in Panik und drückte beide Bremsen mit voller Wucht. Großer Fehler. Eine Sekunde später lag ich seitlich unter dem Roller auf dem Boden und verstand gar nicht warum ich zu blöd zum Rollerfahren war. Da kamen auch schon Jan und die beiden Tankwarte besorgt angerannt und guckten nach dem Rechten. Völlig verunsichert, frustriert und ängstlich wollten weder Jan noch ich, dass ich weiter allein auf dem Roller weiterfuhr. Jedenfalls nicht mehr heute. Meiner Meinung nach auch nicht in naher Zukunft. Jan brachte also sein vollgetanktes Motorrad wieder zurück – bekam natürlich nur einen Bruchteil der Miete erstattet und wir setzten unsere Tour wie gewohnt zu zweit auf dem Roller fort.

Lass niemals das Navi allein zurück im Dunkeln

Unser erster Loop führte uns durch Vang Vieng, über wackelige Holzbrücken, kleine Dörfer, vorbei an Feldern und natürlich den riesigen Karstfelsen. Eine Abkühlung von der glühenden Sonne brachte uns ein Bad in der Blue Lagoon. Dort konnte man wie Tarzan am Seil ins Wasser springen. Diese Attraktion zog gleich eine Horde Chinesen an, die sich abwechselnd mit Gebrüll in die Tiefe stürzten und dabei alles haargenau auf Videokamera aufnahmen. Ein größeres Highlight war da die gigantische Höhle nebenan. Nach einem kurzen, aber steilen Aufstieg betraten wir mit Erstaunen das meterhohe und verwinkelte Höhlensystem. Wir stiegen immer tiefer hinein, bis wir in einem großen dunklen Saal standen. Es war stockfinster. Ich war sofort starr vor Angst, bemerkte nicht wie Jan sich weiter entfernte und immer weiter in die finsteren Nischen der Höhlengänge eindrang. Eben noch von Jan und drei anderen Besuchern umgeben, stand ich plötzlich ganz allein im dunkelsten Schwarz und konnte nur noch meinen eigenen Atem im Licht der Taschenlampe sehen. Ich wollte gar nicht wissen, was rechts und links noch alles auf mich im Dunkeln wartete und stand deshalb regungslos am Platz. Als es auch nach 5 Minuten immer noch dunkel und still um mich herum blieb, breitete sich heftige Angst in mir aus. Wo blieb Jan denn bloß? Hatte er sich etwa im verwinkelten Höhlensystem verlaufen? Er war bei Tageslicht doch schon eine Niete im Navigieren. Was wenn er es gar nicht mehr rausschaffen würde? Mir kamen schon die ersten Tränen. Wut, Trauer und Verzweiflung stiegen in mir auf. Ich rief seinen Namen. Nichts. Rief noch etwas lauter. Wieder nichts. Dann brüllte ich nach ihm. Und endlich vernahm ich ein leises „Ja“. Und dann „Angélique, wo bist du?“. Er hatte sich also doch verirrt. Zum Glück war noch ein anderer Typ bei ihm und sie fanden zusammen raus indem sie meiner Stimme und dem Licht meiner Taschenlampe folgten. Ich war bis dahin natürlich schon völlig in Tränen aufgelöst und tierisch sauer, dass Jan mich einfach dort allein stehen lassen hatte. Nach langem Hin- und Her, dass das gar nicht seine Absicht gewesen sei, er ja nur mal kurz gucken gehen wollte wie es da hinten weiter ging, nahmen wir uns doch noch tröstend in die Arme – schließlich war ich heilfroh ihn wieder aus den Fängen der Höhle zurück gewonnen zu haben. Völlig mit Nerven am Ende fuhren wir zurück zu unserem kleinen chillychelly Hostel und gönnten uns zum Abendessen ein gutes Schnitzel, leckeres Rindsgulasch mit Klößen und einer Art süßen Schupfnudeln mit Mohn und Puderzucker zum Nachtisch beim Österreicher nebenan.

Auf Höhenflug in Vang Vieng

Am nächsten Tag fuhren wir die andere Seite des Loops und kamen an abgeschiedenen Dörfern und Wäldern vorbei. Dort überraschte uns auch ganz plötzlich der Regen und zwang uns zu einer kleinen Pause unter dem Blätterdach eines Baumes. Am Nachmittag bestiegen wir den höchsten Karstfelsen in der Gegend und wurden nach einem unglaublich anstrengenden und schweißtreibenden Aufstieg – oh man wir sind so alt – mit einer atemberaubenden Aussicht belohnt. Eine unglaubliche Ruhe machte sich dort oben über uns breit und die Zeit schien stehen zu bleiben. Leider mussten wir irgendwann diesen friedvollen Ort über den Wolken verlassen, da am Himmel ein paar dunkle Regenwolken aufzogen und wir noch eine holprige Rückfahrt auf dem Roller vor uns hatten. Auf halbem Weg traf uns dann der strömende Regen und uns blieb nichts anderes übrig als uns wie die Einheimischen an irgendwelchen Hütten am Wegesrand unterzustellen und abzuwarten bis es aufhörte. Dafür kassierten wir sogar ein paar zustimmende Schmunzler der vorbeiziehenden Laoten. Denn in Asien regnete es außerhalb der Regenzeit zum Glück nie lange und so konnten wir nach circa 20 Minuten unseren Weg zurück fortsetzen.

Nach diesen zwei erlebnisreichen Tagen auf dem Roller schliefen wir ausnahmsweise fast wie Babys auf unserem brettharten Bett und träumten schon von unserer nächsten großen Tour bei Thakhek in ein paar Tagen.

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