Wie jeden Morgen während unseres Aufenthaltes in San Francisco erwachten wir auf dem Anthony Chabot Campground in unserem umgebauten MiniVan. Wir hatten bereits drei Tage damit verbracht uns von den Kontrasten dieser wunderbaren Stadt einnehmen zu lassen, fanden aber, dass es langsam Zeit wurde dem urbanen Treiben den Rücken zu kehren. Am Abend zuvor hatten wir eine Frau, die nahezu ihren kompletten Haushalt auf das Autodach ihres zerbeulten Kombis geschnallt hatte, dabei beobachtet wie sie verwirrt durch den verwinkelten Campground fuhr. Sie sah verloren aus und wir hatten ein mulmiges Gefühl als wir uns kurz mit ihr unterhielten. Am Morgen an dem wir den Campground verließen, sahen wir dann noch wie mehrere Polizisten ihren Zeltplatz sowie das Auto durchsuchten und Spuren sicherten – die Frau war verschwunden. Natürlich schossen uns hunderte von Gedanken durch den Kopf was dieser Frau zugestoßen sein könnten und was es mit ihrem Verschwinden auf sich hat, jedoch mussten wir uns beeilen, um nicht im Stadtverkehr von Seattle stecken zu bleiben.
Karl, du hast uns unser Foto versaut!
Wir umfuhren die Golden Gate Bridge und steuerten die kleine Stadt Sausalito an, die direkt hinter der Golden Gate Bridge liegt. Von der Autobahnausfahrt führt eine kleine Stichstraße auf einen Hügel mit einem Aussichtspunkt. Von hier aus lässt sich die Golden Gate Bridge und die Bucht von San Francisco am besten fotografieren – eigentlich. Karl, so wird der Küstennebel in San Francisco genannt, der sich an machen Tagen so stark über die Golden Gate Bridge legt, dass nur noch die Spitzen der riesigen Stahlträger zu sehen sind. Manchmal entstehen an solchen Tagen die fantastischsten Bilder und manchmal ist die weiße Nebelwand so dicht, dass Karl jedes Bild einfach nur versaut. Gerade diese Hassliebe hat Karl dem Küstennebel zur internationalen Berühmtheit verholfen, samt eigenem Instagram-Profil mit über 200.000 Followern und einem Eintrag im Stadtbücherei von San Francisco. Um die trüberen Aussichten auf den weiteren Tag zu vertreiben führen wir zunächst in die Innenstadt von Sausalito, aßen Eis und fotografierten die unzähligen Hausbote, die in dieser Gegend vor Anker liegen. Kaum hatten wir uns damit abgefunden kein Bild mehr von der Golden Gate Bridge machen zu können, lichtete sich der Nebel und wir bekam die bekannteste Brücke der Welt doch noch vor die Linse – danke Karl.
Welcome to Bolinas, please keep moving
Unser Route führte uns zunächst in ein kleines Städtchen Namens Bolinas, welches wir eigentlich nie hätten finden sollen. Im Reiseführer wird Bolinas als Dorf der Alternativkultur und Überbleibsel aus der Zeit der Flower-Power-Bewegung beschrieben, dessen Bewohner ein Leben etwas außerhalb des amerikanischen Way of Life bevorzugen. Nachdem in den 70er Jahren zwei Öltanker vor der Küste kollidierten, kamen viele Umweltaktivisten nach Bolinas um den Kampf gegen die Verschmutzung aufzunehmen. Nachdem dieser offiziell vorbei und inoffiziell gewonnen war, blieben einige einfach da. Im Laufe der Jahre bauten sie eine Gemeinschaft auf die sich immer mehr von der Außenwelt verschloss. Die Bewohner entschlossen sich dafür auf ein Rathaus und samt Bürgermeister zu verzichten und montierten alle Straßenschilder ab, die den Weg nach Bolinas zeigen. Nur diejenigen sollten den Weg nach Bolinas finden, deren Herzen sie dahin leiten. Zwar wurden wir nicht von unseren Herzne, sondern von Google Maps nach Bolinas geführt, hatten jedoch das Gefühl an einem Ort angekommen zu sein, den wir für immer in unserem Herzen tragen würden. Die Häuser der Menschen sind eingebunden in die Natur die sie umgibt. Die meisten, die hier leben sind Selbstversorger. Überall blühen Blumen, Kräuter und Obstbäume in wilden Gärten. Es gibt ein kleines Café, ein Restaurant mit vegane Speisen, eine Kleiderkiste und einen Surfstrand direkt um die Ecke. Im örtlichen Pub treffen sich die Menschen jeden Sonntag zum gemeinschaftlichen Pancake-Sunday – was will man mehr. Es hängt positives Karma in der Luft von Bolinas und man würde es am liebsten in recycelbare Papiertüten füllen und in die ganze Welt verschicken. Immer wieder schaffte es Bolinas in den letzten Jahren durch verrückte Aktionen in die Schlagzeilen der überregionalen Presse und gewann dadurch mehr Bekanntheit, als den meisten Bewohnern lieb ist. Es wundert auch nicht, dass einige Schilder aufstellen auf denen „Welcome to Bolinas, please keep moving.“, oder einfach nur „Wrong Way. Go Back.“ geschrieben steht, wenn an fast jedem Wochenende Touristen aus San Francisco Bolinas mit ihren SUV`s zuparken und lautstark durch das idyllische Dörfchen trampeln, um einen Blick auf die Hippies zu werfen, über die sie in den Klatschblättern von San Francisco gelesen haben. Bolinas ist anders. Auch wir merkten das, als es keine hlbe Stunde dauerte, bis uns eine wildfremde Frau dazu einlud mit ihr die Nacht zu verbringen. Wir lehnten dankbar ab.
They love to keep their secrets.
In Wahrheit hatten wir aber tatsächlich keine Ahnung wo wir die Nacht verbringen sollten, da an der Küste die Campingplätze zu teuer sind und wir auch nicht jeden Tag 50 Meilen ins Inland fahren wollten um auf BLM-Land zu schlafen. Nachdem wir uns die Karte etwas genau angeschaut hatten, suchten wir einfach eine Straße die etwas außerhalb des Dorfes, die zu einem Parkplatz mit Toilettensymbol führte. Wir führen die Straße entlang, bis sie in einen Schotterweg mündete und schließlich an einem Waldstück endetet. Nur einige Autos standen auf dem großen Parkplatz, von denen die meisten jedoch zum Abend hin verschwanden und so dachten wir einen ruhigen Schlafplatz für die Nacht gefunden zu haben. Als wir am nächsten Morgen erwachten hatten wir das Gefühl nicht den geheimsten aller Parkplätze zum übernachten gefunden zu haben. Um unser Auto herum hörten wir duzende von Autos die auf dem Parkplatz parken und doppelt so viele Stimmen. Wir wollten die ganze Sache erstmal aussitzen, da unsere Fenster verdunkelt waren und wir uns der Öffentlichkeit nicht in unseren Schlafanzügen präsentieren wollten, jedoch wurden die Stimmen und Autos mit der Zeit immer mehr. Wir stiegen aus und sahen, dass der komplette Parkplatz zugeparkt war. Mehrer Ordner in gelben Sicherheitswesten delegierten die unendliche Zahl von ankommenden Autos zurück auf den Schotterweg und links und rechts stampften Gruppen von Menschen an uns vorbei die ihr Auto bereits weiter weg geparkt hatten. Alle steuerten sie auf den kleinen Waldweg zu und wir ahnten bereits das hier anscheinen ein sehr schöner Wanderweg beginnen musste, von dem jedoch nur die Einheimischen wissen. Nachdem wir schnell und heimlich hinter unserem Auto gefrühstückt und uns die Zähne geputzt hatten, fragte Angélique einen Frau weshalb die ganzen Menschen hier versammelt sind und ob es sich hier um einen Geheimtipp handeln würde. Wir erfuhren das dieser Weg ein paar Kilometer die Küste lang zu den Anamara Falls führen würde und dass das besondere daran sei, dass diese Wasserfälle direkt in den Ozean fließen. Ein Wasserfall direkt am Strand? Dies wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen und erkundigten uns genau nach dem Weg dorthin. Wir wunderten uns warum hier kein Schild darauf hinweist, wenn der Weg den so schön sein soll, woraufhin uns die Frau deutlich machte, dass die Menschen in dieser Gegend gerne ihre Geheimnisse für sich behalten. Wie geheim dieser Platz wirklich war erfuhren wir aber erst als wir schon fast daran vorbei gelaufen waren. Eine andere Gruppe die in die Entgegengesetzte Richtung lief verriet uns, dass wir auf einen kleinen Stein auf dem Boden achten müssten auf dem „YEE!“ geschrieben steht. Zweigt man an dieser Stelle ab, geht es durch dicht bewachsenes Gebüsch fast auf allen Vieren zum Strandabschnitt entlang. Dann nur noch die Felsen hinunterklettern und schon ist man da. Am Ende konnten wir die Aufregung um den Weg verstehen, den hier fließt tatsächlich ein Wasserfall direkt ins Meer und wir konnten auch verstehen warum die Einwohner Bolinas diesen wunderbaren Ort beschützen wollen indem sie ihn möglichst geheim halten.
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