Während ein paar erholsamen Tagen im von uns überaus geliebten Manyi Village, buchten wir eine Tour zu den umliegenden Tempeln Ubuds. Unser Guide hieß Kadek und war damit der fünfte Mensch mit diesem Namen, den wir in unserer kurzen Reisezeit in Bali getroffen haben – und langsam wurden wir stutzig. Denn gefühlt gibt es in Bali anscheinend insgesamt nur drei bis vier unterschiedliche Namen, was uns reichlich ungewöhnlich vorkam. Noch ungewöhnlicher wird es, wenn man weiß, dass es eher Nummern sind, als Namen. Stark vereinfacht erklärt nummerieren die Balinesen ihre Kinder durch. Das Erstgeborene heißt Wayan, was übersetzt „das Älteste“ bedeutet. Das Zweitgeborene wird Kadek (das Zweite) genannt, das dritte Kind bekommt den Namen Komang (das Baby) und das vierte den Namen Ketut (das Folgende). Interessant ist, dass beim fünften Kind wieder von vorne angefangen wird (es also wieder den Namen Wayan bekommt). Anscheinend sind in der balinesischen Kultur eher vier als fünf Kinder die Regel.
Kadek holte uns überpünktlich ab und öffnete die Tür zu seinem neuen SUV. Er versicherte uns, dass er uns mit seiner Tour auf jeden Fall glücklich machen werde, da er nicht nur die besten Zeiten kenne, zu denen man die Tempel besuchen sollte um vom Massentourismus verschont zu bleiben, sondern uns auch die besten Ecken verraten kann um traumhafte Bilder zu schießen. Wir mussten schmunzeln und waren gespannt, ob Kadek seinen Worten Taten folgen lässt. Als Erstes ging es zu den Reisterrassen von Tegalalang. Kadek sollte zumindest hier recht behalten, denn schönere Reisterrassen hatten wir bis dahin nicht gesehen. Wir liefen die Reisterrassen ein Stück entlang und machten ein paar Schnappschüsse. Nach so vielen, die wir bisher gesehen hatten, ist das Bild des üppigen Grüns zwar immer wieder schön, nutzt sich aber auch langsam ab. Zum ersten Mal sahen wir hier das ausgeklügelte Bewässerungssystem und Kadek erzählte uns, dass auch diese Reisterrassen noch per Hand angelegt werden und der Reis drei Mal pro Jahr geerntet wird. Unglaublich, wenn man weiß wie viel harte Arbeit dahintersteckt. Die Reisterrassen werden von den Balinesen auch die Stufen zu den Göttern bezeichnet und wenn man vor den weitläufig angelegten Reisterrassen von Tagelalagn steht ahnt man auch wieso.
Falsche Königsgräber und echte Wasserrituale
Die nächste Station auf unserer Tempeltour war der Gunung Kawi oder auch Berg der Poesie genannt. Der erst im Jahr 1920 entdeckte Komplex ist eine Gedenkstätte für die Königsfamilie Udayana aus dem 10. Jahrhundert. Entgegen weit verbreiteter Erzählungen befinden sich hier keine Königsgräber, sondern nur traditionelle Monumente zu Ehren der Könige dieser Zeit. Weiter im Inneren fanden wir noch einige Wasserbecken und eine Tempelanlage, die wir nur Barfuß betreten konnten. Obwohl uns klar war, dass schon Tausende vor uns diese Anlagen erforscht haben, hat Kadek wie versprochen einen guten Zeitpunkt gewählt um den Tempel zu besuchen. Wir konnten uns soviel Zeit nehmen wie wir wollten, denn Kadek blieb die Zeit über in der Nähe des Autos und ließ uns genug Freiraum. Die Zeit verging schnell während wir größtenteils allein die Windungen der Tempelanlage erkundeten. Nicht umsonst zählt dieser Tempel zu den bemerkenswertesten archäologischen Anlagen auf Bali.
Genauso beeindruckend ist der Pura Tirta Empul, der als Wassertempel zur spirituellen Reinigung von Gläubigen genutzt wird. Jede Einzelne der Wasserfontänen, die sich ins Quellbecken ergießen, soll heilende Kräfte zur Beseitigung von Problemen oder Krankheiten haben. Da die Zuordnung aber nicht mehr bekannt ist, gehen die meisten Gläubigen auf Nummer sicher und führen unter jeder Fontäne ein kleines Reinigungsritual durch. Wie genau dieses funktioniert konnten wir leider nicht in Erfahrung bringen, jedoch nahmen wir uns die Zeit Einige bei dem Ritual zu beobachten. Die meisten ließen das Wasser in alle Körperöffnungen laufen (also Nase, Mund, Ohren usw.). Während sie bis zur Hüfte im Quellbecken standen murmelten sie etwas vor sich hin. Das Ritual wurde an jeder Fontäne immer wieder in dem gleichen Ablauf wiederholt, wobei einige gezielt ausgelassen wurden. Natürlich ließ sich auch der ein oder andere Tourist dazu hinreißen, sich in seinen überteuerten Sarong zu schmeißen und sich dem Ritual auf seine eigene Weise anzuschließen.
Während unserer Reise konnten wir bisher schon eine Menge heiliger Stätten besuchen und oft habe ich mich gefragt ob die „Gläubigen“ und Mönche, die wir dort antrafen, wirklich spirituelle Rituale direkt vor unseren Augen vorführten oder es einfach nur eine gut inszenierte Touristenshow war. Es fällt mir schwer zu glauben wie jemand der von hundert Objektiven beobachtet wird, zwischen GoPro Kameras und Selfi-Sticks die notwendige Ruhe zur Meditation und zum Gebet finden kann und vor allem auch möchte. Andererseits haben wir auch die Erfahrung gemacht, dass der Glaube so tief in dem Alltag der in Indonesien lebenden Menschen verwurzelt ist, dass sie alltägliche mit spirituellen Dingen ganz natürlich kombinieren. Während wir beispielsweise am Frühstückstisch sitzen bringt uns die Kellnerin erst unseren Kaffee und geht dann bevor sie den Rest des Frühstücks holt kurz zum hoteleigenen Hausschrein, zündet ein Räucherstäbchen an und spricht ein paar Worte. Von daher sind die Rituale, die man als Tourist erlebt an vielen Ecken in Bali tatsächlich echt und Bestandteil des balinesischen Alltags – und die ständige Präsenz von Touristen gehört in vielen Ecken von Bali zum Alltag dazu.
Katzenpo-Kaffee
Gegen das berühmte Mittagstief gibt es nichts besseres als einen frischen Kaffee und Kadek wollte uns natürlich nicht nur irgendeinen, sondern den teuersten Kaffe der Welt präsentieren. In der Satria Agrowisata, einer Mischung aus biologischem Garten und Kaffee-Plantage ging es dann zunächst auf fruchtige Entdeckungstour. Kadek führte uns durch einen kleinen Garten indem allerlei Früchte angebaut wurden. Während wir in Deutschland Tomaten, Gurken und Karotten pflanzen, wächst in Indonesien Jackfruit, Annanas und Papaya. Hier stellte sich auch heraus, dass wir in einem Wissenstest nicht einmal die kleine indonesische Pflanzenkunde bestehen würden. Auch Kadek blieb unsere Unwissenheit nicht verborgen, als er merkte wie wir nach seinem „schaut mal da wächst Ananas“ beide in die Krone eines nahe stehenden Baumes schauten. Etwas verwundert korrigierte er unseren Blick und deutet mit dem Finger auf einen kleinen Palmenstrauch am Boden. Denn genauso wie jedes Kind in Deutschland weiß, dass Möhren nicht auf Bäumen wachsen, ist das hier auch mit der Ananas. Nachdem wir den Garten durchquert hatten, wurden wir in die Obhut einer jungen Indonesierin entlassen, die uns ein dutzend Tee- und Kaffesorten zum probieren ausschenkte und gegen einen kleinen Aufpreis den berühmten Luwak-Kaffe servierte. Zu Ruhm und Ehre gelangt der teuerste Kaffee der Welt durch seine außergewöhnliche Produktionsweise. Die auch als Kopi Luwak bekannte Kaffeesorte wird aus den Exkrementen des Flekenmusangs hergestellt. Die Schleichkatze isst die Kaffekirschen und scheidet die Kaffeebohnen aus. Ursprünglich wurden die Exkremente der wildlebenden Schleichkatzen von der einheimischen Bevölkerung gesammelt und zu Kaffee verarbeitet, da der vergleichsweise teure Plantagenkaffee nur für den Export gedacht war. Irgendein Weißer kam dann später auf die Idee, dass dieser Kaffee außergewöhnlich (gut) schmeckt. Wissenschaftler untersuchten sogar die Oberfläche der Kaffeebohnen und stellten fest, dass diese durch die Enzyme im Katzenpo eine Struktur bekommen, die einer kleinen Kraterlandschaft gleicht und sich deutlich von der anderer Kaffeebohnen unterscheidet. Mittlerweile kann der Kaffee sogar künstlich hergestellt werden, nachdem deutsche Wissenschaftler im Auftrag einer vietnamesischen Firma die Enzyme isolieren und damit das Geheimnis des Katzenpos lüften konnten. Und als wäre das nicht alles schon absurd genug, wird der Luwak Kaffee in Deutschland für bis zu 220 Euro pro geröstetem Kilo verkauft.
Und wie schmeckt der teuerstes Kaffee der Welt?
Auch wir ließen uns eine Tasse des angepriesenen Kopi Luwak für 50.000 Kip (ca. 5 EUR) die Tasse schmecken und müssen zugeben, dass er einen außergewöhnlichen und auch guten Geschmack hatte. Er schmeckt mild und etwas erdig. Das Brimborium jedoch welches um diesen Kaffee gemacht wird ist das Geld und vor allem die trostlose Zukunft der Schleichtkatzen nicht wert. Diese werden mittlerweile vom indurstriellen Komplex zu tausenden in winzigen Käfigen gehalten und so lange mit Kaffekirschen gefüttert bis sie sich totscheißen. Auf Nachfrage wurde uns natürlich versichert, dass der hier angebotene Luwak-Kaffee aus tiergerechter Produktion stammt, jedoch haben wir dies nicht mit eigenen Augen sehen können. Auch den Kauf des Tees in dem Shop der Satria Agrowisata haben wir später bereut. Denn anstatt von Teeblättern befindet sich ein komisch riechendes Pulver in den undursichtigen Verpackungen. Schade, denn auch hier sind wir einer weiteren Touristenatrappe aufgesessen und würden diesen Kaffee zum Schutz der Tiere nirgends mehr kaufen. Zum Glück hatten wir später in Laos die Gelegenheit ein ehrliches Kaffee- und Tee-Tasting zu erleben zwar nicht mit dem teuersten Kaffe der Welt, dafür aber auch nicht mit moralischem Beigeschmack.
Goa Gajah: Die mystische Elefantenhöhle
Unsere letzte Station auf unserer Tempeltour war die bekannte Goa Gajah. Neben den kleinen Pagoden, Tempelteichen und winzigen Wasserfällen ist das Betreten der Elefantenhöhle durch eine überdimensionierte steinerne Dämonenmaske das Highlight dieser Anlage. Auch hier hatte Kadek ein gutes timing, denn es ist fast unmöglich den Eingang zu fotografieren ohnen mindestens zehn Touristen davor stehen zu haben. Wir waren aber zum Glück zur richtigen Zeit am richtigen Ort und konnten ganz in Ruhe die Höhle erkunden. Um die Goa Gajah kreisen viele Mythen und allein die Herkunft des Namens ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Die Geschichten von Forschern, die die Symbole der Höhle falsch interpretieren, darüber warum der Gott Ganescha einen Elefantenkopf hat oder darüber, dass es eigentlich gar keine Elefanten in Indonesien gibt, sind spannender als die Tempelanalge selbst. Im Inneren der Goa Gajah gibt es nur eine kleine Ganesha-Statue zu sehen, die eher einen deplatzierten als einen natürlichen Eindruck vermittelt.
Am Ende unserer Tempeltour rund um Ubud stellte uns Kadek die wichtigste Frage des Tages: „Did I make you happy?“ So wie es der Anstand gebührt lobten wir natürlich seine Tour-Guide-Kompetenz und waren ziemlich zufrieden mit dem Tag. Denn Kadek hatte das beste aus einer 0-8-15-Tempeltour für uns rausgeholt. Leider haben viele der balinesischen Tempel ihre spirituelle und magische Aura an den Massentourismus verloren. Der Charme der Tempelruinen verblasst zwischen Selfie-Sticks und Souvernirgeschäften. Gerne hätten wir das ursprüngliche Bali gesehen und sind deshalb auch nach Ubud in das kulturelle Zentrum des Landes gereist. Den Reiseführen darf man an dieser Stelle aber nicht allzuviel Vertrauen schenken, denn das traditionelle und authentische Bali ist hier nicht zu finden. Für einen zweiwöchigen Entspannungsurlaub ist dieser Ort sicherlich eine Reise wert, wer das Land aber in seiner Ursprünglichkeit und abseits des klassischen Massentourismus kennen lernen will sollte eher nach Munduk oder Sidemen fahren.