Die unüberwindbaren Mauern des Pura Besakih

Nach Munduk im Norden Balis ging es für unsere letzten Tage auf Bali zurück durch das trubelige Ubud weiter nach Sidemen in den südlichen Osten von Bali. Sidemen ist ebenso wie Ubud bekannt für seine Reisfelder- und Terrassen. Nur das es hier viel ruhiger und beschaulicher zugeht. Außerdem ist hier eine riesige landschaftliche Fläche von grünen Reispflanzen übersät, welche einen an jeder Ecke umhaut. Als wir dann noch in unsere schmucke kleine, abgelegene Hotelanlage des Abian Ayu kamen und den traumhaften Blick vom Pool und unserem Balkon auf den Mount Agung sahen, waren wir überwältigt und sogleich verliebt in dieses Fleckchen. Nach zwei entspannenden Tagen am Pool, Massage und einer Nachtwanderung mit Mr. Batur, zog es uns wieder auf den Rücken eines motorisierten Zweirads um die nähere Umgebung zu erkunden. Wir durchquerten den kleinen Stadtkern von Sidemen und bogen links in eine kleine Straße ein, die nach einigen Metern noch schmaler wurde und schließlich in eine klapprige Holzbrücke mündete. Danach begann eine sagenhaft herrliche Strecke. Eine schmale Straße schlängelte sich durch grüne und gelbe Felder, sowie kleine Dörfer, vorbei an rauschenden Bächen, atemberaubenden Reisterrassen und lächelnden Menschen, immer weiter den Hang hinauf. Teilweise war es eine Berg- und Talfahrt mit kleinen und großen Kurven und wunderschönen Ausblicken. Unser Ziel verloren wir dabei aber nie aus den Augen. Wie auch, denn der große Mount Agung überstrahlte die ganze Gegend mit seiner magischen Erscheinung.

Schwarze Schafe vor den Toren des Pura Besakih

Bevor wir diesen aber erreichten, legten wir noch einen Lunch-Stopp an einem im Reiseführer als Tipp empfohlenen Panorama Restaurant ein. Diesen Tipp hatten wohl auch einige Reiseveranstalter auf dem Programm. Denn bei unserer Ankunft dort fanden wir so einige Reisebusse auf dem Parkplatz vor und waren froh wenigstens nicht zu diesen Lemmingen zu gehören, sondern auf selbstbestimmtem Weg hierher unterwegs zu sein. Mit unseren Rollerhelmen am Tisch wirkten wir auch irgendwie wie schwarze Schafe unter den internationalen Reisegruppen, die sich auch noch am überteuerten Buffet bedienten. Und so zogen wir nach dem Essen und zwei, drei schnellen Fotos weiter Richtung dem Pura Besakih, dem Muttertempel Balis. Da er am Fuße des Mount Agung liegt, ist er der bedeutendste Tempel auf Bali für Buddhisten als auch Hinduisten. Die wichtigsten und größten religiösen Feste finden daher immer hier statt. Die Popularität dieses Tempels schlägt sich natürlich wie üblich in der Abzocke von Touristen nieder. Auch wenn wir vom Reiseführer bereits vorgewarnt wurden, nicht auf die Abzocke am Eingang reinzufallen oder sich von teuren Guides belabern zu lassen, konnten wir diesmal nur bedingt standhalten.

Wölfe im heiligen Schafspelz

Schon bevor wir den Parkplatz erreichten, wurden wir etwa 1km vorher am Straßenrand von zwei Polizisten angehalten, die den Eintritt von 30.000 Rupiah (2€) kassierten. Bloß, dass nach unserer Ankunft auf dem Parkplatz gleich nochmal ein Mann vom behaupteten Eingangsbüro auf uns zu schnellte und uns zu seinem Gebührenbuch zog. Dort wollte er uns erst eine Führung mit Guide für 200.000 IDR, also umgerechnet 13€, aufschwatzen, wo wir uns aber erfolgreich rauswindeten. Wir mussten dann zwar immer noch eine Donation für den Tempel abgeben, die wir uns dann aber mehr oder weniger aussuchen konnten, indem wir einfach darauf beharrten nur 50.000 IDR statt den von ihm mindestens 100.000 verlangten zu geben. Wir wussten ja, dass er es wahrscheinlich eh in seine eigene korrupte Tasche stecken würde. Er war dann nicht mehr sonderlich freundlich zu uns und wünschte uns sarkastisch viel Glück beim Versuch ohne balinesischen Führer in den Tempel zu gelangen. Wir seien dann selbst schuld, betonte er noch gehässig. Wir klopften uns nun umso mehr auf die eigene Schulter, da wir nicht auf die Touristenmaschinerie reingefallen und zum Glück mit der kleinen Spende davon gekommen sind. Die Freude hielt nur kurz. Denn bereits auf den ersten Stufen zum Tempelgelände wurden wir abgefangen und streng darauf aufmerksam gemacht, dass wir ohne einheimischen Guide keinen Zutritt hätten und nur außen herum gehen dürften. Na das wollten wir aber mal sehen! Diese Ganoven tricksen wir doch mit links aus- dachten wir hoffnungsvoll. Wir gingen also wie verlangt erst einmal links herum, wieder vom Gelände runter. Der Blick von ein paar Stufen außerhalb des Tempels war wie erwartet wenig eindrucksvoll. Also starteten wir Versuch Nr. 2 und schritten stolzen Schrittes zurück auf das Gelände. Da der Wächter gerade beschäftigt war, übersah er uns und wir hingen uns unauffällig an an zwei andere Touristen mit Guide an. Wir folgten ihnen mit einem Abstand von zwei bis drei Metern und schossen Fotos sobald sie sich in unsere Richtung drehten. Das funktionierte leider nur solange bis wir sie plötzlich aus dem Auge verloren als sie das innere des Tempels betraten. Wir beobachteten andere Touristen und uns fielen ebenfalls Personen ohne Guide auf. Und so machten wir es ihnen nach und gingen ebenso dorthin, wo sie die Treppe seitlich zum Tempelinneren erklimmten. Doch anscheinend waren wir doch anders und fielen ins Auge, denn wir wurden wieder von einem Aufpasser gestoppt und am Weitergehen gehindert. Ich wollte diese Ungerechtigkeit einfach nicht wahrhaben und fing an den Wächter nach den logischen Gründen für diese stumpfsinnige Regel zu löchern. Wie später auf unserer Reise durch Asien immer wieder feststellbar, bringt logisches oder faires Denken hier gar nichts und einen erst recht nicht weiter. Frustriert gab ich auf und stampfte wütend in die andere Richtung, wo es erlaubt war hinzugehen. Nach einer Standpauke von Jan, der von Anfang an keinen Bock auf den Tempelbesuch und nun richtig die Schnauze voll davon hatte, überkam mich mal wieder ein typischer Heulkrampf. Es war aber auch zum Mäusemelken – nichts klappte in diesem beschissenen Tempel!

Rettung und Erleuchtung

Irgendwie schafften wir es nach einem heftigen Streit doch auch wieder aus dieser emotional aufgeladenen Situation heraus und machten uns schließlich auf den Weg uns einen Guide zu suchen. Das klingt jetzt irgendwie nach Aufgeben. Aber für mich war es die einzige Möglichkeit die ganze vermasselte Aktion noch zu retten, da man sonst nichts vom Inneren des Muttertempels gesehen oder darüber erfahren hätte.. Nun konnten wir uns wenigstens den Guide selbst aussuchen und der konnte sogar Deutsch. Auch wenn dieser ebenfalls 200.000 IDR verlangte, bekamen wir sehr viele interessante Informationen über den Tempel und Einblicke in die Lebensweise und Ansichten der Buddhisten. Eine sehr erkenntnisreiche Logik für unser Sein brachte die für mich erleuchtende Sichtweise, dass das gesamte Leben seine Existenz in einer dualistischen Natur hat. Es gibt Dunkelheit nicht ohne Helligkeit, Sonne steht gegen Regen, Freude braucht auch Trauer und Glück existiert nicht ohne Schmerz, Leben nicht ohne Tod. Es ging dabei um die Frage, wie es im Buddhismus zu rechtfertigen ist, dass Menschen über Tieren stehen, Tiere über Pflanzen und die einen die anderen fressen oder auch wenn Menschen ohne gerechten Grund sterben. Und auch wenn es irgendwie schon bekannt und im Nachhinein selbstverständlich war, erleuchtete mich diese plötzliche Erkenntnis über das Leben und das Leid darin. Klar, das Eine kann nicht ohne das Andere sein, sonst wäre die Welt ohne Gleichgewicht. Das Prinzip von Yin und Yang.

Eine andere sehr hilfreiche Lebensweisheit  des Buddhismus vermittelte sein Beispiel von der Hinnahme und Akzeptanz negativer Situationen: Jemand tritt dir auf den Fuß, das tut weh. Nun hast du zwei Möglichkeiten damit umzugehen. Entweder du ärgerst dich und bist dem anderen böse über seine versehentliche Tat. Dann schaffst du dir neben dem Schmerz, noch ein zweites Problem, den Ärger. Oder aber, du nimmst den Ärger kurz an, sagst dann aber „ok ist passiert, doch nicht so schlimm und nicht mehr änderbar“ und lässt ihn dann wieder gehen. Dann schaffst du das Problem bei Seite  und bist schneller wieder zufrieden und glücklich. Besonders für mich stellt diese Denkweise ein erstrebenswertes Verhaltensgerüst dar, da ich oft Probleme damit habe Dinge anzunehmen und loszulassen, ohne eine Zeit lang in Frust, Trauer und Ärger über das Geschehene zu ertrinken. Die Unterhaltung mit ihm brachte uns zum Nachdenken und einige tiefschürfende Erkenntnisse mit sich. Unser Guide machte seine Sache so hervorragend, dass wir uns am Ende sogar zu einem Trinkgeld entschlossen. Zwar hatten wir nun umso mehr gezahlt als der Typ am Anfang dafür von uns haben wollte, aber so waren wir irgendwie trotzdem zufriedener. Mit einem kleinen Beigeschmack verließen wir den Muttertempel und ließen den restlichen Ärger vom Fahrtwind davon tragen. Schließlich kann man nicht immer auf ganzer Linie gewinnen.

 

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