Nach neun Monaten auf Weltreise, weit weg von zuhause, ist es schon eine große Überraschung, wenn ich meiner früheren Au Pair Familie aus Neuseeland wiederbegegne. Vier Jahren lang hatten wir uns nicht mehr gesehen, bis wir uns in Amerika wieder begegneten. Nachdem wir zufällig von dieser Möglichkeit erfuhren, verabredeten wir unser Wiedersehen in Seattle und brachten uns gegenseitig auf den neuesten Stand. Die Muckelstons hatten wieder einmal die Entscheidung getroffen den Schritt ins Ausland zu wagen, nachdem sie bereits jeweils vier Jahre in München und Paris gelebt hatten. Diesmal packten sie ihre Koffer um Ende des letzten Jahres nach Seattle zu ziehen. Paul ist immer noch für Microsoft tätig und betreut in den USA ein innerbetriebliches Startup im Bereich der Surface-Weiterentwicklung. Die Kinder gehen zur Schule und haben bereits erste Freundschaften geschlossen und Maritza verbringt die Zeit mit der Familie, Sport und medizinischen Konferenzen, solange sie noch keine Arbeitserlaubnis als Ärztin in den USA hat. Es hat etwas gedauert, aber nach dem das erste halbe Jahr rum ist, fühlen sie sich angekommen und auch sichtlich wohl. Ihr neues Haus, mit Blick auf den See mit der Skyline von Seattle im Hintergrund ist wunderschön, dass sie es sich auch für längere Zeit in den USA vorstellen können. Entschieden ist dies aber noch nicht. So ein Wiedersehen, vor allem zwischen mir und den Kindern, nach so einer langen Zeit und keinem Kontakt miteinander, hatte natürlich auch ein paar Startschwierigkeiten. Ich war total nervös vor dem Treffen und machte mir Sorgen, dass es womöglich ganz steif miteinander sein würde und die Kinder es vielleicht blöd fänden mich zu sehen. Die Kinder waren zunächst auch schüchtern und zurückhaltend, obwohl Jackson sich sehr schnell wieder als der aufgekratzte, etwas vorlaute Junge präsentierte, den ich noch von damals kannte. Nur in einer etwas älteren und reiferen Form. Nach einigen Annäherungsversuchen und Unterhaltungen, hatte auch Zara ihre Schüchternheit abgelegt und plauderte drauf los. Auch meine Befürchtungen bezüglich auf das Wiedersehen mit Paul und Maritza, waren ganz unbegründet. Wir wurden sehr herzlich von Maritza empfangen, sie erzählte und fragte gleich ganz viel und führte uns im Haus herum bis die Stimmung zu Pauls Ankunft schließlich ziemlich locker und entspannt war. Während Maritza uns zum Abendessen eine leckere Lasagne zauberte, welche immer noch von so geringer Menge war, wie damals in Neuseeland, und Jan schon Witze machte, ob die Schüssel denn nur für ihn alleine sei, zeigte Paul uns den See unterhalb des Hauses. Nach dem Essen bekamen wir noch einen Einblick in Jacksons erstaunliche Tanzfähigkeiten und auch mit seinem Gesang wollte er uns an diesem Abend noch beeindrucken. Maritza und Paul waren mächtig stolz auf ihren Künstlerknaben und sprachen schon davon, wie sie sein Talent und Potential weiter ausbilden lassen konnten. Während ich noch eine Weile mit ihnen plauderte, schlug Jan Jackson an der PlayStation so oft, dass dieser frustriert und wütend in der Gegend herumfluchte. Danach griffen sie dann zu den Spielzeugwaffen mit den Polyestergeschossen und lieferten sich einen Schießerei, bei der auch Zara und ich zwischen die Fronten gerieten. Zara machte mich vor dem Schlafengehen noch mit ihren American Dolls bekannt, die unglaubliche 200$ pro Stück im Original kosten. Bald darauf wünschten wir uns alle eine Gute Nacht und machten noch schnell ein paar Fotos vom Wiedersehen, denn Paul musste mitten in der Nacht schon wieder raus und zum Flughafen, da er am nächsten Tag geschäftlich nach Toronto in Kanada reiste. Nach einer sehr erholsamen Nacht und einem ruhigen Morgen mit Müsli und Kaffee, brachten uns Maritza und die Kindern in die Stadt und setzte uns bei der Space Needle, dem Wahrzeichen Seattles, ab. Nach einer letzten Umarmung und baldigen Wiedersehensbekundungen (wir wohnten schließlich in den nächsten 3,5 Wochen nur eine Stunde entfernt von Ihnen und würden uns sogar zur gleichen Zeit im August auf Campingreise in British Columbia in Kanada befinden). trennten sich unsere Wege erst einmal wieder. Auch wenn wir uns womöglich nicht nochmal in den nächsten Wochen treffen oder in Kanada bei der Reise über den Weg laufen würden, war ich sehr froh, sie wiedergetroffen zu haben und meine damalige Zeit mit Ihnen und die Funkstille danach besser verarbeiten konnte.
Seattles kulinarische Verführungen
Vor dem Treffen mit den Muckelstons schnupperten wir nach der Abgabe unseres Mini-Vans noch ein paar Stunden in das Leben der Stadt hinein und machten uns einen ersten Eindruck von Washingtons Metropole. Dafür steuerten wir ziemlich bald das Highlight der Stadt, den Pike Place Market, an. Dieser stellte sich nicht umsonst als einer der größten und schönsten Märkte in den USA heraus. Eine riesige Markthalle auf drei langgezogenen Ebenen, sowie etliche Stände in der Straße, vor dem Gebäude und vielen weiteren Geschäften entlang des Pike Places. Die zu erwartenden Menschenmassen überfluteten unsere Reize im Handumdrehen. Eine kulinarische Überraschung jagte die nächste und wir kamen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Es gab viele Beeren, frischgepresste Säfte, Spezialitäten sowie unzählige Sorten von nahezu allem. Es roch nach feinem Käse, gebratenem Fleisch, geröstetem Kaffee, fangfrischem Fisch, Schokolade, teurem Wein, gutem Brot, Gebäck und sogar hochwertigem Flieder. Auch hier mussten wir es uns selber erneut eingestehen, Amerika ist ganz anders als erwartet. Selbst die farbenfrohen Märkte in Asien konnten nicht dem standhalten, was der Pike Place Market zu bieten hatte. Den so wie nahezu in jedem Bereich des Landes gab es hier eine unheimliche Vielfalt der besten Lebensmittel der Welt. Schade bloß, dass man dafür schon einen etwas größeren Geldbeutel als unseren brauchte. Daher gönnten wir uns nicht alles, was unser Herz auf diesem Markt begehrte und probierten nur eine kleine Auswahl von den unzähligen Köstlichkeiten. Dazu zählte ein super frisch hergestellter Rohmilchkäse, der ähnlich wie Halumi, aber viel besser schmeckte, einen frischgepressten Apfelsaft, Cupcakes, ein Grillkäsesandwich, ein griechisches Soflaki mit gebratenem Rinderfleisch und das bereits in Oceanside empfohlene Biscuits & Gravy. Zwar nicht auf dem Markt, aber nicht weit davon entfernt, aßen wir am nächsten Tag auch noch den besten Hot Dog des Landes. Seattle schien wahrhaftig eine Stadt des guten Geschmacks und Essens zu sein. Einen Beutel Kirschen für zuhause nahmen wir schließlich auch noch mit, welcher dann bereits nach zwei Tagen aufgeschmaust war.
Auf einen Besuch in Seattles Altstadt
Zufrieden und gesättigt spazierten wir Richtung Pioneer District, dem alten Stadtkern von Seattle. Auf dem Weg dorthin ließen wir die Stadt und ihre beeindruckenden Bauten auf uns wirken. Die Altstadt Seattles bestand zwar vorrangig aus alten Backsteingebäuden und restaurierten, aber immer noch sehr nostalgischen Läden, aber dennoch versprühte dieses Viertel kein angenehmes oder gar anziehendes Flair auf uns. Das lag vor allem auch an den vielen Obdachlosen, die an den meisten Plätzen des Viertels hockten und sich die Zeit mit Crack vertrieben. Wir konnten uns in der kurzen Zeit, die wir in Amerikas Großstädten verbrachten, nicht von dem beklemmenden Gefühl befreien, welches durch die vielen armen, betrunkenen und drogenabhängigen Menschen entsteht die durch die Straßen ziehen und neben provozierende Blicke auch Mal merkwürdige Anfragen stellen.
Wer kennt sie nicht – die Space Needle von Seattle? Als Greys-Anatomy-Gucker, hatten wir sie natürlich schon unzählige Male über den Bildschirm flimmern sehen, aber nun hieß es zum ersten Mal live und in Farbe. Das Gelände um den 184m hohen Stahlturm mit Aussichtsplattform und Blick über die Stadt, den Puget Sound, die Olympic Mountains und den Gipfeln von Mount Ranier und Mount Baker, hielt noch einige andere touristische Attraktionen für Jung und Alt bereit. Wir schlenderten herrum, besuchten keines der attraktiv erscheinenden, aber sehr teuren Museen, da wir nach der Enttäuschung des SFMoMa (Museum of Modern Art in San Fransisco) kein Geld mehr dafür ausgeben wollten. Auch die 20$ pro Person für die obligatorische und populäre Fahrstuhlfahrt zur Plattform der Space Needle sparten wir uns lieber, da wir preislich nicht viel von solchen Ausblicken hielten und lieber den Weitblick in die Natur und das Panorama der Berge in den USA genossen. Es genügte uns vollkommen, das berühmte Wahrzeichen aus einer unserer Lieblingsserien hautnah vom Boden aus zu sehen. Denn seien wir mal ehrlich, es ist und bleibt doch auch nur ein hoher Turm mit Aussicht, wie es ihn oft auf der Welt gibt – ein Erlebnis war es trotzdem. Da wir beide keine Lust mehr darauf hatten die Stadt zu erkunden und uns schon nach der Ruhe und Natur unserer neu erworbenen Bleibe für die nächsten Wochen sehnte, gönnten für uns zum Abschluss eine viel zu kurze Fahrt mit dem futuristischen Skytrain von Seattle. Dieser schwebt wie in so manchen Science-Fiction-Filmen über dem Boden zwischen den hohen Glasgebäuden der Stadt und ist ein besonderes Erlebnis. Nach dem besten Hot Dog Amerikas in der Nähe des Pike Markets und inmitten eines überraschenden Seifenblasen-Flashmobs machten wir uns schließlich auf den langen Wegen Richtung Lake Shoecraft, 72km nördlich von Seattle. Im nächsten Beitrag „Das Haus am See“ erfahrt ihr, worum es sich bei diesem abgelegenen Plätzchen genau handelt und wie wir überhaupt daran gekommen sind.
Die welt ist klein!
Seattle ist echt super, sehr zu empfehlen ist auch die Bibliothek. Modernes Gebäude und teilweise großartige Ausstellungen