Direkt von der Halong Bucht aus brachte uns der Mini-Van nach Hanoi. Nach einer Dusche neben der Küche des Ethnic Travel Büros wurden wir zum Bahnhof begleitet. Wir bestiegen den Nachtzug und teilten uns das Viererabteil mit einem anderen Pärchen. Sie aus Ungarn, er aus Spanien, lernten sich während eines Erasmus-Projekts kennen und lieben. Eine wahrlich schöne Liebesgeschichte. Als sie uns fragten, wie wir uns kennenlernten, war unsere Antwort kurz und bündig: Über das Internet. Über StudiVZ um genau zu sein. Aber mit diesem Netzwerk konnte die beiden nichts anfangen.
Die Betten im Nachtzug waren besser als gedacht und das Klo schlechter als erhofft. Wir gingen schnell ins Bett, da wir bereits am Morgen um 5:30 in Lao Cai ankommen sollten. Vom Bahnhof in Lao Cai nach Sapa sind es ca. 90 Minuten mit dem Mini-Van. Wir duschten schnell in einem verschimmelten kleinen Hostel und erfuhren, dass wir unsere großen Rucksäcke da lassen und alles was wir für die nächsten drei Tage brauchen mitnehmen sollten. Viel durfte es aber nicht sein, da wir alles selber tragen müssen, wenn wir ca. 15 bis 20 Kilometern am Tag die Berge rauf und runter marschieren, rief uns unser Guide zu. Die Ansage löste eine kurze Panik bei Angélique aus, denn wer sie kennt, weiß, dass sie sich schwer tut mit Entscheidungen und Packen. Was nimmt man mit auf eine dreitägige Trekking-Tour, wenn man nur ein paar Kilo Gewicht in einem kleinen Rucksack auf dem Rücken tragen kann? Irgendwann war es aber soweit und wir gingen los. Unser weiblicher Guide Sue ist vom Stamm der Hmong, der zu den ethnischen Minderheiten in Vietnam zählt. Da die ethnischen Wurzeln der Hmong über 4000 Jahre zurückreichen ist ihre Herkunft nicht eindeutig überliefert. Sue erzählte uns jedoch, dass Ihre Vorfahren aus China kommen und im Laufe der Zeit immer weiter in die Bergregionen zurückgedrängt wurden. Kurz bevor wir unseren dreitägigen Trek begannen, fragte sie uns ob wir etwas dagegen haben wenn ihr Baby mit uns kommt. Wir schauten verdutzt, sagten aber ja und schon schnallte sie sich die 14 Monate alte Ling auf ihren Rücken.
Bei Sapa denkt ihr an traumhafte Ausblicke und saftig grüne Reisterrassen? Vergesst es!
Wir starteten unsere Tour und spürten nach der ersten Aufregung bei unserer Ankunft eine Zunehmende Woge der Enttäuschung. Im September war der Reis bereits geerntet und das satte Grün wich einem hungrigen Braun. Es war kalt und nebelig. Wir hatten null Sicht auf die Berge. Und dann kam der Regen. Die Trampelpfade wurden in kurzer Zeit zu schlammigen Bächen und jeder Schritt brachte uns aus dem Gleichgewicht. Die drei Hmong Frauen, die sich unserer Tour angeschlossen hatten, taten ihr Bestes um uns zu stützen und zu halten. Sie versuchten sogar unsere Stimmung mit selbstgeflochtenen kleine Kunstwerken aufzuhellen. Als wir zum Mittagessen in ein total von Touristen überfülltes Restaurant einkehrten, unzählige Kinder wie ein Mückenschwarm über uns herfielen und uns bedrängten Armbändchen zu kaufen, hatte der Tag seinen traurigen Höhepunkt erreicht. Müde, enttäuscht und bis auf die Unterhose durchnässt schoben wir unsere vom Regen verschrumpelten Körper weiter durch die Berge. Als uns Sue mitteilte, dass wir wegen dem Regen nicht den geplanten Weg weitergehen können und die Straße nehmen mussten, war uns das völlig egal. Abends erreichten wir unsere Unterkunft. Eine traditionelle Behausung der Hmong. Wir hingen unsere Sachen zum Trocknen über das Feuer und aßen mit der Familie zu Abend. Zwei französische Pärchen in unserem Alter gesellten sich zu uns, die ebenfalls die Tour mit Ethnic Travel gebucht hatten, aber mit einem anderen weiblichen Guide unterwegs waren.
Nein, danke.
Während ich den anliegend Wasserfall beobachtete kamen ein paar andere Hmong Frauen vorbei und versuchten mir traditionell bestickte Taschen und Kleider zu verkaufen. Da dies scheinbar die einzige Einnahmequelle für viele Frauen in der Region darstellt, ist man als Tourist ständig umgeben von Ihnen. Von früh morgens bis spät abends wird man immer wieder gefragt ob man was kaufen will. Daran mussten wir uns zunächst gewöhnen, jedoch nahmen wir diese Gelegenheit wahr um das Nein-Sagen zu üben. Ein tiefer Blick in die Augen, eine leichte Berührung an Arm und ein festes und Entschlossenes: „No, thank you“. Nicht dieses genervte Ignorieren der Menschen oder das verschämte Angucken ihrer Waren helfen weiter, sondern ein klares Statement. Oder man kauft den Plunder halt, aber dies spricht sich im Dorf herum und führt zu einer Kettenreaktion. Platz eins auf der Liste der meist gejagten Säugetiere in der Region: Der dumme Touri mit der dicken Brieftasche. Die Frage, ob man Kindern etwas Gutes tut, wenn man ihnen Kram abkauft muss jeder für sich selbst beantworten. Entweder man sieht das große Ganze und tut es nicht, weil man denkt, dass sie nur Armbändchen verkaufen müssen, weil man diese kauft. Wenn keiner sie kaufen würde, dann müssten sie auch nicht durch die Straßen laufen und mit ihren kleinen Kulleraugen pleeaase buy betteln. Oder, man bedenkt die Alternative für diese Kinder, die nicht Schule, sondern harte Arbeit auf dem Reisfeld heißt und versucht ihnen diese für ein paar wenige Dollar zu ersparen. Wir haben uns aus moralischen Gründen gegen den Kauf entschieden und mussten drei lange Tage in traurige Kindergesichter blicken. Allerdings hatten wir bald das Nein-Sagen so gut drauf, dass sie uns nach einem Versuch nicht weiter belagerten.
Wir hofften am Abend darauf, dass am nächsten Morgen das Wetter besser werden würde und wir zumindest einen kleinen Blick auf die Sonnenseiten von Sapa erhaschen können, doch leider sollte uns dieses Glück zunächst verwehrt bleiben.
Wir krochen unter den dicken Decken hervor und die neblige Kälte ging uns sofort unter die Haut. Unsere Sachen Rochen zwar ordentlich nach Feuer, waren aber immer noch klamm. Es hatte die ganze Nacht geregnet und wir entschlossen uns, unsere Pläne zu ändern. Anstatt zum nächsten homestay in den Bergen zu wandern, würden wir den Rückweg nach Sapa antreten, eine Nacht im Hotel übernachten und am darauffolgenden Tag die Gegend nördlich um Sapa erkunden. Die richtige Entscheidung, denn es regnete fast die ganze Zeit und außer nebligen Berghügeln und schlammigen Straßen gab es nicht viel zu sehen. Wir erreichten das Hotel um die Mittagszeit und verbrachten den Rest des Tages damit unsere Sachen abwechselnd rund um die kleine Elektroheizung anzuordnen, um alles trocken zu bekommen. Auch der kleine Reiseföhn vom Hotelbadezimmer half kräftig mit. Der Regen hatte unsere Trekking-Ambitionen fast komplett weggeschwemmt. Einer aus der Gruppe entschloss sich sogar dazu die Tour abzubrechen und zurück nach Hanoi zu fahren. Wir entschlossen uns dazu zu bleiben und auf das Beste zu hoffen.
Oh jehh… Angellique sieht aus wie eine buckelige Omi mit dem geilen Raincover! Hoffe die Sonne scheint bald wieder für euch!
Sehr, sehr schade, aber solche Tage muss man einfach wegstecken. Sind die Erinnerungen an Schweden hochgekommen?
Hoffentlich wird die Nordseite von Sapa besser und euch wird es besser gehen. Mit den Kindern bin ich deiner Meinung. Man tut nichts Gutes für die, wenn man etwas kauft. Ist hart, aber wahr. Noch ein paar solche Abenteuern und Angélique ist bei dem nächsten Trip nach Schweden dabei!