Welcome to America: Eine Drama in Fünf Akten

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Erster Akt: Vorfreude

Eine Einreise in die USA ist theoretisch sehr einfach. Besonders wenn man Europäer ist – und weiß. Oder zumindest Bürger eines der anderen auserwählten Länder, die im Rahmen des Visa Waiver Programmes die Vereinigten Staaten für maximal 90 Tage besuchen dürfen. Wir planten von Brisbane in Australien nach San Francisco in Kalifornien zu fliegen, dort einen Camper zu mieten und damit bis nach Vancouver in Kanada zu fahren. Der Plan war so einfach, dass wir Australien noch in vollen Zügen genossen und voller Vorfreude drei Wochen bevor unser Visum in Down Under ablief damit anfingen uns über die Details Gedanken zu machen.

Zweiter Akt: Ernüchterung

Eine erste Hochrechnung der Kosten die auf uns für einen fünfmonatigen USA/Kanada Trip zukommen würden lies uns kurz laut lachen und dann sehr lange weinen. Allein die Mietkosten für den billigste Camper würden für diesen Zeitraum bei knapp über 10.000 Euro liegen. Natürlich dachten wir auch darüber nach einen Camper für diesen Zeitraum zu kaufen um ihn am Schluss wieder verkaufen zu können, doch leider schied diese Option sehr schnell aus. Offiziell kann man zwar auch als Reisender in den USA ein Auto kaufen, jedoch benötigt man für die Zulassung eine Adresse sowie einen amerikanischen Führerschein. Die einzige Möglichkeit die uns blieb bestand darin, einen Mietwagen in den USA buchen und ein anderen in Kanada zu mieten. Dann also Mietwagen und Flug buchen, fertig – denkste!
Wir stellten ziemlich schnell fest, dass wir zwei Wochen vor Abreise nur noch einen sehr teuren Flug nach Los Angeles buchen konnten (der nach San Francisco war wesentlich teurer). Vor der Flugbuchung wollten wir aber natürlich zuerst das ESTA-Onlineformular ausfüllen, um sicher zu gehen, dass wir in die USA einreisen dürfen. Und da ging es auch schon los. Zunächst mussten wir eine Adresse in den USA vorweisen. Da wir nicht „wir schlafen in einem Mietwagen“ eingeben konnten, buchten wir schnell einen Wohnung für die ersten Tage außerhalb von Los Angeles. Gerne wären wir direkt in LA geblieben, jedoch kriegt man hier zwei Zimmer, Küche, Bad nicht für unter 100 EUR die Nacht. Bei einem Tagesbudget von 80 EUR für uns unvorstellbar. Als nächstes mussten wir uns um eine Auslandskrankenversicherung kümmern. Wir wollten eigentlich die Envivas-Auslandskrankenversicherung verlängern, jedoch mussten wir feststellen, dass man für die USA nur eine Auslandskrankenversicherung abschließen kann, solange man noch in Deutschland ist (und bei der Envivas auch noch in der Techniker Krankenkasse versichert sein muss). Nach einem Tag Recherche fanden zwar tatsächlich eine Versicherung, die aus dem Ausland abgeschlossen werden kann, jedoch mussten wir eine direkte Vorversicherung vorweisen. Auf Anfrage stellte sich dann auch noch heraus, dass wir wegen eines Formfehler die ganze Zeit überhaupt gar nicht versichert waren – gut, dass uns bis dahin auch nichts passiert ist. Erst nach einigen Mails und ein paar Telefonaten, konnte wir das zum Glück klären und wurden Rückwirkend für sieben Monate versichert. Anstatt nach San Francisco zu fliegen würde es jetzt also nach LA und dann mit dem Mietwagen Richtung kanadische Grenze gehen. Und gerade als wir neuen Mut geschöpft haben, kam der Todesstoß.

Dritter Akt: Verzweifelung

Für eine Einreise in die USA muss man einen Raus- und Weiterflug vorweisen der nicht nach Kanada oder nach Südamerika geht. So in etwa stand es fett im ESTA-Formular und auch auf der Seite des Auswärtigen Amts. Hat man keine Flug, lässt einen die Fluggesellschaft gar nicht in den Flieger, hieß es zudem in unzähligen Onlineforen. Und selbst wenn man es an dem Flugbegleiter vorbei schaffen würde, würde der Imigration-Officer bei der Einreise in die USA einen sofort wieder dahin schicken wo man her gekommen ist, da die Gefahr auf illegale Einwanderung ohne Raus- oder Weiterflug besteht.
Nach ein paar schlaflosen Nächten und viel Recherche in den Untiefen des Internets waren wir uns fast sicher, dass ein Rausflug aus Kanada als Beweis reichen würde, also buchten wir einen der zwar unverschämt teuer, dafür aber kostenlos storniert werden kann. Als wir mit allem fertig waren, merkten wir, dass wir nur noch ein paar Tage Zeit hatten Australien zu verlassen. Wir hatten zwar mittlerweile für jedes Problem eine Lösung gefunden, jedoch noch nichts gebucht. Also holten wir uns die Versicherung, buchten die Wohnung, den Rausflug aus Kanada, einen Mietwagen und zum Schluss den Flug nach LA. In der Bestätigungsmail der Flugbuchung stand es dann schwarz auf weiß und all unsere Bemühungen schienen umsonst. Wir hatten zwar den Flug aus Kanada gebucht, jedoch mussten wir für den Check-In ein Raus- oder Weiterflug innerhalb der 90 Tage unseres Visums in den USA vorweisen. Unser Flug aus Kanda würde aber erst 5 Monate später nach Einreisedatum in die USA starten. Da wir den Flug nach LA aber erst zwei Tage vor Ablauf unseres Australien Visums buchten, blieb uns nichts mehr anderes übrig als es darauf ankommen zu lassen.

Vierter Akt: Paranoia

Mit jeder Stunden die verging konnte wir an nichts anderes mehr denken. Je mehr wir realisierten, dass wir zwar für insgesamt mehrer tausend Euro einen Mietwagen für zwei Monate, einen Wohnung für 10 Tage, eine Auslandskrankenversicherung für 5 Monate und zwei teure Flüge gebucht hatten, jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit gar nicht ins Flugzeug kommen, desto größer wurde unsere Paranoia. Wir spielten hunderte von Szenarien durch, übten einen Text ein mit dem wir die Frau am Flugschalter davon überzeugen konnten uns ins Flugzeug zu lassen. Wir buchten sogar noch am Tag der Abreise ein Zugticket von Seattle nach Vancouver, um unsere Geschichte des „wir reisen wirklich nach spätestens 90 Tagen aus den USA aus“ so glaubwürdig wie möglich zu machen. Wir packten unser Rucksäcke, bestellten ein Taxi und fuhren zum Flughafen. Ab jetzt hieß es rien ne va plus. Alles oder nichts.

Fünfter Akt: Wahnsinn

Wir standen in der Warteschlange am Brisbane International Airport. Währen Angélique sich an einem Haufen Papiere festklammerte, welcher unsere Geschichte bezeugen sollte, merkte ich wie mir die ersten Schweißtropfen der Rücken herunter liegen. Wir beobachteten aufmerksam die Frauen an den Flughafenterminals und beteten, dass wir nicht zu Schalter 6 oder 11 mussten, denn diese Damen sahen nicht so aus, als hatten sie einen guten Tag. Wir wurden aufgerufen, gingen an den Schalter und waren gespannt darauf, ob uns hinter Tor Nummer drei eine Reise in die USA oder der Zonk erwarteten.
Flughafenterminalfrau: „Hallo, wie geht es Ihnen. Ihre Reisepässe bitte.“
Jan: Hier bitte schön.
Flughafenterminalfrau: Wie ist ihre Adresse in den USA?
Jan: Wir haben einen Wohnung in Oceanside in der 320 St Horne Street, Kalifornien.
Flughafenterminalfrau: Wie geht es danach weiter?
Angélique: Wir fahren nach Kananda…
Jan: Wir sind auf einer Weltreise…
Bevor Angélique erzählen konnte, dass wir nach 10 Tagen in Oceanside mit einem Mietwagen innerhalb von zwei Monaten nach Seattle fahren wollen, dann einen Zug nach Vancouver nehmen und ein paar Monate später einen Rausflug vorweisen können, machte die Flughafenterminalfrau ein erstauntes Gesicht. Sie war erstaunt darüber, dass wir so lange Reisen. Alles andere war ihr egal. Sie fragte uns nach – nichts.
Bevor wir den Mund zumachen konnten, drückt Sie uns die Bordkarten in die Hand und wir mussten uns setzten bevor wir zum Gate aufbrachen. Unsere ganze Paranoia war umsonst. Es schien zu schön um wahr zu sein. Und so war es dann auch.

Epilog: Welcome to America

Ein Flug von Australien in die USA bringt die biologische Uhr zum austicken. Wir flogen in Brisbane Vormittags los, wahren über 13 Stunden in der Luft und kamen in den USA am gleichen Tag noch früher an als wir in Brisbane gestartet waren. Ein Flug von Australien in die USA ist sozusagen ein Flug zurück in die Vergangenheit. Während wir uns im Flugzeug noch mit reichlich Filmguckerei ablenken konnten, waren wir beide sichtlich angespannt als wir in der Schlange der amerikanischen Immigrationskontrolle standen. Ähnlich wie am Flugterminal beobachteten wir die Beamten und beteten ein zweites Mal, nicht zu den Schaltern gerufen zu werden bei denen die grimmigsten Mitarbeiter saßen. Wir hatten uns bereits online Informiert welche Fragen uns wahrscheinlich gestellt werden und uns eine Schlüssige Geschichte überlegt, die eindeutig belegt, dass wir nicht daran interessiert sind illegal in die USA einzuwandern. Während Angélique nach einem kurzen Plausch direkt durch gewunken wurde, machte ich im entscheidenden Moment den entscheidenden Fehler. Ich log den Immigration-Officer an.
Natürlich nicht mit Absicht. Und eigentlich hatte ich mich auch nur verhört und deshalb die falsche Antwort gegeben. Aber dies allein reichte aus um den Beamten zu verärgern. Ich musste alle Reservierungen die wir getätigt hatten vorzeigen, unsere Route beschreiben, sogar angeben welchen Beruf ich in Deutschland ausübte und warum ich die USA besuchen will. Als ich selber nicht mehr daran glaubte jemals wieder amerikanischen Boden betreten zu dürfen, schaute mich der Beamte kritisch an und fasste zusammen: „Sie wollen mir erzählen, sie sind hier um Urlaub zu machen. Sie starten im Mai mit einem Mietwagen hier in den USA und fliegen dann fünf Monate später aus Kanada zurück – sind aber auf jeden Fall innerhalb von 90 Tagen raus aus den USA?“ Und ich so: „Yes“. Und er so: „Okay, welcome to America“.
Ich hörte das stanzende Geräusch des Visamstempels. Der Beamte schaute mich ein letztes Mal prüfend an und ich schaute rüber zu Angélique. Seit fünfzehn Minuten stand sie schon total aufgelöst am anderen Ende der Einreisekontrolle und verstand nicht, warum ich es nach all den Problemen die wir hatten auf den letzten Metern unbedingt nochmal so spannend machen musste. Die Einreise in die USA mag theoretisch sehr einfach sein, praktisch war sie jedoch für uns der reine Wahnsinn.

2 Comments

  • Claudia sagt:

    Hallo ihr zwei,
    sehr, sehr lustig geschrieben! Ich hab richtig mit euch gelitten. Wir waren ja auch auf unserer Weltreise in LA, allerdings nur für einen kurzen Zwischenstopp, aber das hat uns schon gereicht, um von dem ESTA-Formular genervt zu sein. Aber verglichen mit euren Horrorszenarien, war unsere Einreise in die USA doch eher ein Spaziergang… Ich drücke euch die Daumen, dass es ab jetzt besser flutscht!
    Viele Grüße aus Broome
    Claudia

  • Kevtina sagt:

    Geile Stoooory- was für ein Akt mit den Ammis und wir konnten uns richtig vorstellen, wie aufgeregt ihr sein musstet! Mehr davon-ist schön zu lesen, was aktuell so verrücktes passiert und ein paar Bilder bitte!!!:*:*:*:*:

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