Obwohl wir gerade eben den Thakhek Loop hinter uns gebracht hatten, wollten wir auch das Bolaven-Plateau in Pakse auf dem Roller erkunden. Wir hatten noch kurz überlegt eine Jeep-Tour zu buchen, jedoch hatten uns die Touren die wir bisher gebucht hatten so in unserer Reisefreiheit eingeschränkt, dass wir lieber unsere eigene Route wählten. Wir entschlossen uns eine Tages-Tour von Pakse aus zu unternehmen und suchten uns vier Wasserfälle im Bolaven-Plateau aus. Neben dem Wassertreten wollten wir eine kurze Trecking-Tour an einem der Wasserfälle machen und an einem Coffee-Tasting teilnehmen, für das das Bolaven-Plateau als Anbaugebiet bekannt ist.
Aber meistens kommt es anders als man denkt.
Wir hatten bereits am Vorabend unseres Trips einen 125er Automatikroller reserviert. Wie das in Laos meistens so ist, hatte der Verleiher am Abend zugesagt und uns dann am nächsten Tag einen Schrottroller hingestellt. Als wir den nicht haben wollten, gab es nur noch eine halbautomatische Alternative. Ich hasse die Honda Wave 100 Modelle, weil die beim Schalten rumruckeln wie ne kaputte Waschmaschine, aber uns blieb nichts anderes übrig und wir nahmen ihn, da wir den Ausflug ins Bolaven-Plateau nicht absagen wollten. Abgesehen davon, dass der Rollerverleiher Miss Noy uns nicht die Maschine besorgen konnte, die wir wollten, können wir den Verleiher empfehlen. Jeden Abend gibt es ein briefing bei dem der sympathische Franzose über den Pakse Loop und mögliche Gefahren aufklärt. Da wir nicht den mehrtägigen Loop wie in Thakhek sondern nur einen Tagesausflug machen wollten, nahmen wir an dem Briefing nicht Teil sondern stellten uns die Route selbst zusammen.
Wasserfall-Hopping im Bolaven-Plateau
Am Morgen bekamen wir neben einem zusätzlichen Schloss aufgrund der vielen Rollerdiebstähle in dieser Gegend eine kleine Karte der Umgebung und fuhren los. Als erstes steuerten wir den E-Tu Wasserfall an, der in der Nähe des gleichnamigen Resorts liegt. Zum Schwimmen eignet sich dieser nicht besonders, jedoch gibt es einen Zugang von unten mit einem kleinen Aussichtspunkt und einen Zugang von oben der über einen Baumstamm führt. Da ich auf maps.me einen kleinen Wanderweg entdeckte, konnten wir hier auch unseren geplanten Track hinter uns bringen. Jedoch kehrten wir nach 15 Minuten laufen wieder um, da es kein Rundweg war und sich links und rechts von uns meterhohes Buschwerk türmte. Damit hatte ich mich auch gleich als Guide für diesen Tag disqualifiziert und Angélique sagte wo es lang geht. Also schnell weiter zum nächsten Wasserfall dem sogenannten Tad Champi. Dieser würde unsere Laune wieder aufbessern. Und so war es dann auch. Kristallklares Wasser ergoss sich in ein eisiges mintgrünes Becken. Wir haben fast einen halben Herzinfarkt bekommen, als wir nur den kleinen Zeh reinhielten. Trotz des eiskalten Wasser lies sich Angélique nicht davon abhalten eine Runde zu schwimmen.
Obwohl wir schon so viele Wasserfälle gesehen hatten, üben einige eine fast meditative Wirkung auf uns aus. Nach einem kalten Bad auf einem Baumstamm zu sitzen und die wärmenden Sonnenstrahlen auf der Haut zu spüren und dabei dem Rauschen der Wassermassen zu lauschen ist ein unbeschreibliches Erlebnis. Wir verbrachten den halben Nachmittag an diesem schönen Fleckchen, bevor wir das vermeintliche Highlight des Tages, die Fan Wasserfälle ansteuerten. Aufgrund ihrer Höhe von über 100 Metern haben die Fan Wasserfälle die meiste Berühmtheit erlangt. Hier sollten wir auch auf Mr. Kofi treffen. In einigen Blogs hatten wir gelesen, dass ein passionierter Kaffeeliebhaber in der Nähe der Fan Wasserfälle eine Kaffeeprobe anbietet und dabei die verschiedenen Sorten der Region vorstellt. Als wir die Wasserfälle erreichten, hatten sich hier bereits einige Reisegruppen eingenistet. Wir machten ein kurzes Foto und fanden auch den berühmten Mr. Koffie. Jedoch überzeugte uns sein sehr stark auf Touristen ausgerichtetes Programm nicht und wir entschlossen uns nach einem schnellen Mittagessen zum nächsten Wasserfall zu Düsen. Aber da hatten wir die Rechnung ohne unseren Turbokellner gemacht. Wer schon mal als Backpacker unterwegs war, weiß, dass man in südostasiatischen Restaurants (besonders in touristischen Gebieten) von den Kellnern schnell zum Mensch zweiter Klasse degradiert wird, sobald eine große Reisegruppe eintrifft. Wir wollten noch schnell bestellen, aber wurden gar nicht beachtet. Dann warteten wir 45 Minuten auf ein Wasser und eine Coke und dann nochmal die gleiche Zeit, um das falsche Essen gebracht zu bekommen. Als wir dann die Rechnung wollten, mussten wir ihn mit aller Gewalt vom Tisch der Reisegruppe wegzerren. Achso – und das Essen war kacke. Vielleicht lag es daran, dass wir so verwöhnt waren von dem Essen in dem kleinen italienischen Restaurant Doc Mai in Pakse welches uns nach gefühlten zehn Tonnen asiatischen Nudel, endlich eine richtig gute Pasta servierte oder an den Touristen die uns umgaben, aber der Tad Fan hatte sich auch im Nachhinein als reine Touristenattrappe erwiesen. Als wir versuchten einen nahegelegenen Track zum Tad Yuang zu finden, wuselten wir so lange im Gestrüpp herum, bis wir sicher waren, dass wir nicht sicher waren ob das hier ein richtiger Wanderweg ist – und gaben auf.
Auf der Spitze des Tad Yuang
Der Tad Yuang ist wahrscheinlich der beliebteste Wasserfall im Bolaven-Plateau, zumindest wenn man die Beliebtheit an der Anzahl chinesischer Touristen misst. Wir drückten uns erst an den Menschenmassen vorbei um dann festzustellen, dass wir es hassen, wie alle anderen von der gleichen Stelle ein Selfie zu machen um dann schnell wieder umzukehren und noch mehr Motive für das digitale Erinnerungsalbum zu sammeln – welches dann vielleicht umfassend aber seelenlos wird. Also verließen wir den Fuß des Tad Yuang und kletterten bis zu seiner Spitze. Dort oben trafen wir dann die meisten Laoten die sich vor den Touristen versteckten, mit ihren Familien im Gras saßen und ein Picknick veranstalteten. Wir setzten uns auf die Kante des Wasserfalls und dachten daran, wie es wohl wäre als erster diesen Ort entdeckt zu haben. Immer wieder sehen wir auf unserer Reise Orte die uns faszinieren und an die wir uns lange erinnern werden. Was uns jedoch immer mehr bewusst wurde, ist der große Einfluss des Tourismus auf die südostasiatische Kultur, die Menschen aber auch die Orte. Immer mehr wird die Natur domestiziert und fällt dem Reisewahn zum Opfer. Die wenigen Orte die wir finden und an denen wir das Gefühl haben noch ein Stück des wilden Südostasiens zu entdecken, sind zwar wunderschön, jedoch meistens unerreichbar. Der Traum hier noch unberührte Natur zu entdecken verblasst mit jedem Fußabdruck den wir in die Erde drücken. Und gerade in den Moment an dem man am wenigsten damit rechnet gelingt es dann vielleicht – jedoch muss man es auch wagen.
Das ehrlichste Coffee-Tasting in ganz Laos
Auf dem Rückweg nach Pakse fuhren wir an einem Schild vorbei auf dem ein Coffee-Tasting angepriesen wurde. Angélique forderte mich auf anzuhalten und innerlich rollte ich mit den Augen. Kostenlose Kaffee-Probe steht zwar auf den vielen Schildern im Bolaven-Plateau, eigentlich müsste da aber „Kauf Kaffee du Arsch“ stehen, zumindest wenn man in die Gesichter der Menschen schaut, die so ein Coffee-Tasting abhalten. Gegen meinen Willen folgte ich Angélique, erst mal ohne sie damit zu behelligen was ich von ihrer Idee auf dieses Schild hereinzufallen hielt (man will ja nicht uncool wirken) aber bereits mit einer ordentlichen Portion „ich hab’s doch gleich gewusst du dumme Kuh“ in der Tasche. Unter einem kleinen Bambus-Pavillon begrüßte uns eine freundliche Laotin und wollte uns sofort ihre Plantage zeigen. Mit den wenigen englischen Worten die sie konnte huschte sie über die kleine Plantage, zeigte uns die Arabica-Pflanzen, den grünen Tee, die Minze und einige andere Pflanzen für die sie den englischen Namen leider nicht wusste. Danach zeigte sie uns wie sie und ihre Familie auf der Plantage leben und wie sie den Kaffee mit einfachsten Geräten zubereiten. Vom Pflücken über das Trocknen bis zum Rösten und Mahlen wird hier alles noch traditionell per Handarbeit gemacht. Der Kaffee und Grüne Tee waren köstlich. Wir konnten leider keinen Kaffee oder Tee kaufen, weil wir die nächsten Monate keine Möglichkeit haben diesen frisch zuzubereiten, aber hatten auch nicht das Gefühl dazu verpflichtet zu sein. Stattdessen spielten wir noch etwas mit ihrer kleinen Tochter auf der Veranda, die sich sehr darüber freute im Mittelpunkt des unerwarteten Besuchs zu stehen.
Wir tranken noch eine Tasse Tee (für den wir natürlich bezahlten) und fuhren weiter Richtung Pakse. Wir fühlten uns so wohl, dass wir die Zeit aus dem Blick verloren und nun bereits in der Abenddämmerung losfuhren. Zu unserem Schreck stellten wir auch noch fest, dass es noch knapp 50 Kilometer waren und uns der Sprit vielleicht nicht mehr reichen würde.
Plant den Tag bloß nie zu lang
Ohne Sonnenbrille und ohne Visier am Helm klatschte mir ein Fliegeviech nach dem nächsten ins Auge und eine besonders dreiste Fliege so tief unter mein Augenlied, dass ich fast eine Vollbremsung machen musste, weil ich das Gefühl hatte die Fliege schiebt sich gerade durch meine Auge ins Gehirn. So schnell es ging rasten wir Pakse entgegen solange es noch etwas hell war. Sobald jedoch die Finsternis einsetzte merkten wir wie gefährlich das Rollerfahren wurde. Viele der Roller hatten nur schwaches oder gar kein Licht, die großen LKWs und Busse „übersahen“ uns regelmäßig und als wir die Stadt erreichten schossen aus jeder dunklen Gasse mindestens drei Roller und ein Hund heraus ohne sich auch nur dafür zu interessieren wer denn eigentlich Vorfahrt hat. Die Tankstellen hatten auch schon zu und so mussten wir den Roller unaufgetankt abgeben. Als wir Miss Noy endlich erreichten sahen wir ein Dutzend junger Backpacker beim abendlichen briefing für den Bolaven-Plateau Loop sitzen. Der Verleiher lächelte uns zu, fragte ob alles gut gelaufen sei und schwor seine Gruppe nochmal darauf ein den Tag bloß nicht zu lang zu planen, denn so sehr man auch daran glaubt es noch vor Sonnenuntergang zurück zu schaffen – meistens kommt es anders als man denkt.
Sehr interessant. Das suche ich auch immer, Orte wo keine Scharen von Touris sind, aber solche Orte gibt es wahrscheinlich nicht mehr, denn sobald ich so einen Ort gefunden habe ist er auch gleichzeitig von Touristen entdeckt worden, weil ich ja auch einer davon bin.