Der 1.700 Meter hohe Schichtvulkan im Nordosten von Bali thront ruhig über der paradiesischen Insel. Die Ruhe des Mt Batur kann trügen, denn erst vor 15 Jahren spuckte er das letzte Mal Lava und gilt als Balis aktivster Vulkan. Die Leute kommen in Scharen um ihn zu sehen und um auf ihm rumzuklettern. Obwohl wir negative Berichte gelesen hatten, wollten wir die Erfahrung selber machen und buchten eine Tour über unsere Unterkunft, das Abian Ayu. Als wir aufbrachen war es noch dunkel. Der Fahrer des Touranbieters holte uns sehr früh ab und wir freuten uns darüber. Überall ist zu lesen, dass die Masse an Menschen die den Berg hochwandert von Jahr zu Jahr immer größer wird und man sich eines kleinen Vorsprungs sicher sein kann, wenn man vor 5 Uhr morgens startet. Wir erreichten den Parkplatz am Fuße des Vulkans, wo sich bereits unheimlich viele Guides versammelten und auf die Mini-Busse mit den Touristen lauerten. Als wir ausstiegen zeigte unser Fahrer auf einen der Guides und wünschte uns viel Glück. Der Guide nickte uns kurz zu, überreichte jedem eine Taschenlampe, drehte sich dann um und ging los. Etwas überrascht über den sofortigen Start folgten wir ihm, wobei wir im Laufen unsere Lunchpakete in den Rucksack stopften. Obwohl unser Guide deutlich älter war, schien sein Fitnesslevel deutlich über unserem zu liegen. Bereits nach den ersten 30 Minuten in denen wir nur durch ebenes Gelände wanderten hatte ich das Gefühl, dass wir sein Tempo nicht lange mithalten werden können. Wir gaben unser Bestes, aber fielen immer wieder zurück. Der Guide, dessen Namen wir nicht kannten, blieb zwar immer Mal wieder stehen, sprintete aber wieder los, kurz bevor wir ihn erreichen konnten. Nach einer weiteren Stunde und einer deutlichen Steigerung des Schwierigkeitsgrads was den Weg anging, hatte ich keine Lust mehr auf das Katz und Maus Spiel und vereinbarte mit Angélique, dass wir einfach in unserem Tempo weitergehen würden. Genau deshalb machen wir auch ungern Touren, bei denen wir uns nach anderen richten müssen. Die Besteigung des Mt Batur auf eigene Faust ist aber leider nur schwer zu realisieren. Es ist zwar offiziell nicht verboten und der Weg ist mit einem guten Fitness-Level auch machbar, jedoch berichten immer wieder Individualtouristen von aggressiven Guides, die sogar unter Gewaltandrohung eine Besteigung des Batur ohne einen begleitenden Guide verhindern.
Da wir komplett allein unterwegs waren und es immer steiler und steiler wurden, hatten wir keine Ahnung warum wir um unser Leben rennen mussten, wenn der Weg bei diesem Ausflug auch das Ziel ist? Klar wollten wir rechtzeitig zum Sonnenaufgang auf dem Gipfel sein, aber wir hatten noch massig Zeit. Der Aufstieg verlief recht unspektakulär, da es noch stockfinster war und wir außer dem Lichtkegel der Taschenlampen nicht viel erkennen konnten. Die Staubpiste wurde irgendwann zu einem Schotterweg und dann ging es irgendwann über Vulkangestein immer steiler den Berg hinauf. Als wir auf halber Strecke eine Pause machten und einen Blick nach unten warfen, wurde uns klar wovor unser Guide die ganze Zeit davon lief. Hinter uns sahen wir eine riesige Taschenlampenschlange, die sich langsam den Berg hoch schlängelte. Mr. Batur, wie wir unseren Guide nannten, sah die Lichterschlange wohl auch, denn anstatt auf unser Gestöhne und Geschnaube einzugehen wurde er immer schneller. Wir krakselten mehr als wir kletterten und das Vulkangestein ließ uns immer wieder wegrutschen. Als Angélique nach Dreiviertel des Weges fast die Puste ausging nahm Mr Batur sie an die Hand und zog sie bis zur Spitze des Vulkans hinter sich her.
Wir erreichten den Vulkankrater als eine der Ersten und als Belohnung für unser Durchhaltevermögen servierte uns Mr. Batur zwei leckere Vulkantees. Wir schauten uns den Sonnenaufgang an und versuchten ein halbwegs gutes Foto zu machen. Es war wunderschön aber auch sehr kalt und windig. Während einige Leute Pullover und Regenjacken wieder anzogen, weil der Aufstieg eine schweißtreibende Angelegenheit war, hatten andere ihr komplettes Gehirn im Tal gelassen und sind in kurzen Shirts, Hotpants und FlipFlops den Vulkan hochgeklettert. Sie sahen alle sehr mitgenommen aus und zitterten am ganzen Körper. Klar könnte man denken, die armen naiven Kinder, warum hat denen keiner gesagt, dass sie warme Sachen brauchen. Jedoch gibt es mittlerweile das Internet und Unwissenheit ist keine Ausrede mehr.
Wir wanderten etwas am Kraterrand entlang und Mr. Batur verlor uns aus den Augen. Als wir ihn eine halbe Stunde später etwas verwirrt und besorgt haben herumrennen sehen, gaben wir uns zu erkennen und traten gemeinsam den Rückweg an. Mr. Batur sprintete wie erwartet schonmal vor und schaute nur immer mal wieder über seine Schulter um sicher zu stellen, dass wir noch am Leben waren. Nach knapp zwei Stunden hatten wir wieder ebenes Gelände erreicht und spürten, wie unsere Beine langsam schlapp machten. Noch 50 Minuten gerade aus rief uns Mr. Batur von vorne zu ohne den Kopf in unsere Richtung zu drehen. So sympathisch wir sein Wesen auch fanden, das ewige Gerenne ging uns auf die Nerven. Während wir verstehen konnten, dass wir beim Aufstieg Tempo machten, um nicht in die Taschenlampenschlange zu geraten um den Sonnenaufgang nicht zu verpassen, konnten wir uns keinen Grund für die Eile auf dem Rückweg vorstellen – außer, dass Mr. Batur so schnell wie möglich zurück sein wollte. Als wir schon fast den Parkplatz erreicht hatten, fragten wir den Mann wie oft er eigentlich schon diesen Weg gegangen sei. Obwohl wir uns schon dachten, dass es nicht sein erstes Mal war, machte uns seine Antwort sprachlos.
Mr. Batur läuft den über 1.700 Meter hohen Vulkan jeden Tag rauf und runter. An vielen Tagen auch zwei Mal – und das schon seit 20 Jahren.
Und wenn er heute nicht gelaufen ist, dann läuft er sicher morgen.